Montag, 5. September 2011

Aufruf zur Treue

Seit Monaten stört mich das Gerede von "Kirchenspaltung", die zunehmende Polarisierung von Minderheiten im "katholischen Spektrum" gegeneinander und der Eindruck, den die Kirche in diesen medial gepushten Diskussionen vermittelt. Ich komme darin nicht vor, das ganz normale gläubige Gemeindeleben kommt viel zu wenig darin vor, weder in den Sensationsmeldungen der Presse, noch in den Blogs bestimmter "katholischer" und "überkatholischer" Blogger.

Mein Vorschlag wäre ein "Aufruf zur Treue" oder "Aufruf zur Versöhnung" der von möglichst vielen "normalen" Katholiken unterschrieben wird. Das Bild in den Medien ist verzerrt und ich habe die Sorge, dass aus diesem verzerrten Bild zunehmend Wirklichkeit wird, weil die "Entscheider" in der Kirche sich von diesen Diskussionen beeinflussen lassen und weil die am kirchlichen Leben interessierten Menschen von uns Abstand nehmen.

So ähnlich würde mein "Aufruf zur Treue lauten":
Aufruf zur Treue
  • zum Evangelium, zu Jesus Christus, dem Wort Gottes und zum offenbarten Gotteswort in den Schriften des alten und neuen Bundes;
  • gegenüber dem Vorbild der Heiligen und den Schätzen der kirchlichen Tradition;
  • gegenüber unseren Diözesanbischöfen, die in Verbindung mit den Bischöfen der Weltkirche und unter der Führung des Hl. Vaters die Kirche leiten.
  • zu unseren Priestern, denen die Leitung der Gemeinden durch ihre Bischöfe anvertraut ist. Die Treue gegenüber Personen schließt ausdrücklich auch eine kritische Auseinandersetzung mit deren Überzeugungen und Positionen ein.
Wir beobachten zur Zeit, insbesondere in der öffentlichen Diskussion und vor allem im Internet eine zunehmende Polarisierung in unserer Kirche. Bestimmt wird diese Auseinandersetzung von besonders konservativ-tradionalistischen und betont liberalen Kräften. Wir nehmen diese Diskussionsbeiträge als Stimmen von eher kleinen, jedoch lautstarken Minderheiten in unserer Kirche wahr. Wie die insgesamt überschaubare Zahl der Unterzeichner der unterschiedlichen Aufrufe und Memoranden deutlich macht, fehlt in der aktuellen Debatte die Stimme der Mitte, der leider oft schweigenden Mehrheit der gläubigen Katholiken.

Ihnen möchten wir eine Stimme geben und laden sie ein, diesen Aufruf zur Treue zu unterstützen. Wir wollen hiermit einen Beitrag zur Versöhnung in der Kirche leisten.

Wir verpflichten uns in diesem Anliegen zu beten und für unsere Schwestern und Brüder im persönlichen Gebet und in den liturgischen Feiern der Kirche einzutreten.

Wir stehen in der Mitte der Kirche, wir engagieren uns in unterschiedlichen Diensten und Aufgaben in Gemeinden, Verbänden und Initiativen; wir fühlen uns in Treue verbunden mit unserem Ortsbischof, der als Nachfolger der Apostel in Kollegialität mit den Bischöfen der Weltkirche und unter der Führung des Hl. Vaters unsere Kirche und unser Bistum leitet.
  • Wir wünschen uns eine Kirche, die Platz bietet für unterschiedliche Ausrichtungen des Katholischen. Zu unserer Kirche gehören die unierten, orientalischen und orthodoxen Gemeinschaften, zu unserer Kirche gehören traditionelle, konservative, fromme, liberale aber auch eher distanzierte Christen. Wir wünschen uns ein versöhntes Miteinander unterschiedlicher Gruppen in der Kirche, verbunden durch das eine Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Mensch gewordenen Gotteswort.
  • Wir wünschen uns eine Kirche, deren Mitglieder als Frauen und Männer um den richtigen Weg ringen, miteinander beten, miteinander die Botschaft der Bibel, der Heiligen, der Tradition und die Stimme des Hl. Geistes lesen, meditieren und durchdenken.
  • Wir wünschen uns eine Kirche, die missionarisch und offen auf die Menschen von heute zugeht. Wir wünschen uns eine Kirche, die Raum bietet für fehlerhafte Menschen und einen Neuanfang nach Scheitern ermöglicht. Daher wünschen wir uns auch eine Lösung für die Probleme von Menschen, die nach einer gescheiterten Ehe eine neue Beziehung eingegangen sind. Wir wünschen uns auch eine Möglichkeit des Neuanfangs für Menschen, die ihre Versprechen und ihre Gelübde im Priesteramt oder in einem Orden nicht halten konnten.
  • Wir erleben leider manche Menschen, die sich glaubens-, kirchen- und papsttreu gerieren, aber in ihrem Handeln und Denken, Schreiben und Sprechen wenig Gehorsam, Treue, Zurückhaltung und Demut zeigen. Manchmal erscheint es uns, als ob bei aller beständig postulierten Papst- und Kirchentreue vor allem Legitimation für die eigenen Überzeugungen gesucht wird, Legitimation, die es ermöglicht, sich selbst zu erheben und sich für die eigenen Ansichten Autorität und Unfehlbarkeit zu leihen.
  • Wir vermissen bei manchen öffentlichen Wortführern, Bloggern und Vertretern von Initiativen, Kreisen und Gruppen die Tugend der Demut und des ehrlichen und aufrichtigen Dialogs. Wir vermissen bei ihnen neben der postulierten Papsttreue oft die Treue gegenüber dem Bischof und den von ihm eingesetzten Hirten vor Ort. Auch wenn diese möglicherweise irren, so ist es nicht unsere Aufgabe, ihre Fehler oder möglicherweise fehlerhaften Einstellungen öffentlich zu bekämpfen. Wir sind der Meinung, dass es nicht richtig sein kann und kein Zeichen der Treue zum Evangelium und zum Hl. Vater ist, die von ihm eingesetzten Bischöfe unmäßig öffentlich zu kritisieren und zurechtzuweisen. Sicher sind auch Bischöfe nicht vor Fehlern gefeit. Aber es sollte doch gerade zwischen Priestern und glaubenstreuen Katholiken und Bischöfen Möglichkeiten des Austauschs unterschiedlicher Überzeugungen geben, die nicht der Öffentlichkeit den Eindruck einer zerstrittenen und sich in unterschiedliche Lager aufspaltenden Kirche vermitteln. 
  • Wir sind der Überzeugung, dass die Ehelosigkeit eine angemessene Lebensform für Menschen darstellt, die ihr Leben in den Dienst Jesu Christi stellen. Wir wissen, dass der Zölibat solchen Christen eine große Freizeit und Verfügbarkeit für den Dienst am Reich Gottes schenkt. Wir halten den Zölibat aber nicht für einen Glaubenssatz und das Bekenntnis zu ihm nicht für einen Ausweis wahrer Katholizität. Wir teilen die Erfahrung von Glaubens- und Kirchenzweifeln mit vielen Brüdern und Schwestern. Wir bemühen uns aber dennoch um eine lebendige Verbindung mit Gott und seiner Kirche, um die Überwindung von Zweifeln und Krisen und für eine einladende, lebendige Kirche, die offen auf die Menschen zugeht und sie zum befreienden Glauben an Gott einlädt.
  • Wir wünschen uns eine Kirche, die die schmerzhafte Trennung und Spaltung der Christenheit zu überwinden versucht statt sie zu vertiefen. Dazu sind auch mutige Schritte notwendig und verläßliche Freiräume für die persönlichen Frömmigkeitsformen und Traditionen, wie sie jetzt z. B. für anglikanische Christen geschaffen wurden, die sich der katholischen Kirche anschließen möchten.
  • Wir denken, dass die Kirche viel Raum hat für unterschiedliche Menschen, wenn sie gemeinsam den einen Glauben bekennen, dass es aber unterhalb dieser Bekenntnisebene viele unterschiedliche Überzeugungen, ja sogar Unsicherheiten geben kann und darf, ohne dass einem Katholiken deshalb aus der Glaubensgemeinschaft heraus fällt. Das schließt für uns selbst die Meinung ein, dass die Kirche – entgegen der von Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis vom 22. Mai 1994 bekräftigten Überzeugung - Frauen zu geistlichen Ämtern (z. B. zum Diakonat) weihen dürfe. Auf der anderen Seite muss die Kirche auch aushalten, dass Menschen in ihr denken, dass ausschließlich die sog. „tridentinische Messe“ die einzige dem Glauben gemäße Form der Liturgie sei.

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