Sonntag, 15. April 2012

Kleider machen Leute - Herzlichen Glückwunsch Papst Benedikt!

Foto: CC Lic. Felici http://www.fotografiafelici.com/
„Hl. Vater, ich lach mich schief“, unter dieser Überschrift würdigt der bekennende Papst–Fan Matthias Matussek Papst Benedikt XVI. zu seinem heutigen 85. Geburtstag. Matussek, in den letzten Jahren zum Frontmann einer neuen Form der öffentlichkeitswirksamen Papst-Treue und einer selbsternannten katholischen-konservativen Avantgarde aufgestiegen, spitzt den Grund seiner „Papst-Begeisterung“ wie folgt zu: „Benedikt XVI. ist die unterhaltsamste Störung der Moderne, die sich der liebe Gott einfallen lassen konnte. Wie der Heilige Vater seine Kritiker ein ums andere Mal widerlegt, ist schon sehr amüsant.“
Leider gibt der ganze Artikel außer solchen um Aufmerksamheit heischenden Formulierungen wenig her. Natürlich mag ich dem Autor nicht widersprechen, dass unser Papst immer wieder überrascht und immer wieder wichtige und notwendige Dinge ins Stammbuch der Politiker, der Meinungsmacher, der Religionsführer und der Menschen guten Willens schreibt, im Gegenteil: Ich finde es persönlich oft sehr anregend, seinen Gedankengängen zu folgen und das möglichst „live“ oder über Datenleitung "direkt" aus seinem Munde. Das Internet macht vieles möglich, was vor Jahren noch undenkbar erschien.
Allerdings, darf man sich (auch als überzeugter Katholik) bei aller Papst-Begeisterung und bei aller intellektuellen Freude über diesen Papst, dem ich mindestens genauso herzlich wie Matthias Matussek zum Geburtstag gratuliere, auch das eine oder andere ärgern oder „sauer aufstoßen“.
Ein solches Beispiel bringt ja auch Matussek in seinem Artikel – allerdings bürstet er den alten Brokat für meinen Geschmack zu glänzend auf:
Und hier eine Bemerkung zu Ihrer Garderobe, Heiliger Vater. Sie sehen manchmal aus wie ein Weihnachtsbaum. Wie schön. Brokat und Ornat. Es funkelt. Ja, Sie schleppen die ganze Kirche mit, ihre Macht, ihre Tradition, ihren Schönheitssinn. Ihr heiliges Theater. Und das in einer Zeit der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung. Geiz ist geil? Ihre Roben sagen: in your face - hier kommt der heilige Geist! Wiederum zum Brüllen komisch all die verständnislosen Kommentare über die Geldverschwendung, die in dieser Schaustellung sichtbar würde. Der Wert liegt darin, dass Sie aussehen wie 2000 Jahre.“
Das ist wieder so ein typischer Matussek. Eigentlich müßte man erst mal hinterfragen, ob wir wirklich in einer Zeit „der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung...“ leben, ich sehe das nicht so. Aber dann würden ja die schönen Sätze von Matussek in sich zusammenbrechen. Und das mit den 2000 Jahren stimmt ja auch nicht, denn die Gewänder um die es geht, repräsentieren ja die Kirche der vergangenen 50 bis 200 Jahre. Viel älter sind die meisten Gewänder nicht. Es wäre auch zu empfindlich für den Gebrauch.
Aber, ich wollte auf das Phänomen an sich eingehen: Mein Problem ist weniger die Last und Lust der Geschichte, die in dieser – sagen wir es zurückhaltend – „neuen Wertschätzung“ alter textiler Schätze liegt. Selbstverständlich spricht wenig dagegen, alte Gewänder aus den Schränken der Sakristeien im Vatikan weiter wert zu schätzen. Vielleicht ist es auch gut, sie hin und wieder zu nutzen und es ist allemal preiswerter als ganz neue Kleider. Nicht alles, was damals zur höheren Ehre Gottes gefertigt wurde muss heute „pfui“ sein, weil es ein wenig nach höfischem Zeremoniell und einer Kirche von (vor-)gestern aussieht.
Aber es wäre wichtig, die rechte Balance zu wahren. Zumal die erhaltenen „Kleiderschätze“ nicht unbedingt aus einer sehr langen Tradition stammen, sondern nur eine bestimmte Zeit der Kirchengeschichte repräsentieren, eine Zeit, die sich auf der theologischen Ebene in Gestalt der traditionalistischen Gemeinschaften schon lange gegen das Zerfallen sträubt und – wie ihre textilen Relikte – zwar nicht oder nur wenig zunimmt, aber auch nicht vergeht. Im Moment sieht es auch so aus, als wenn diese Gemeinschaften sich in so vielfältige Untergruppen zerteilen wie das vorkonziliaren Messgewand Teile hatte. (Mal sehen, ob für Bischof Williamson und seinen radikaleren Teil der Piusbrüder noch ein altes Manipel übrig ist, mit dem die sich in eine Schmollecke zurückziehen können.)
Da kommt mir der Hl. Rock zu Trier in den Sinn, ein schlichtes Gewand ohne Naht, das am Anfang aller liturgischen Mode steht. Ich denke, dass bei allem Geschichtsbewußtsein gut wäre, wenn unsere Botschaft ist, dass gottesdienstliche Kleidung schlicht ist, weil der, der damit bekleidet wird, sich in den Dienst dessen stellt, dem die Kriegsknechte einst das Gewand vom Leibe rissen um später um dessen Besitz zu losen.
Nicht alles, was Benedikt trägt oder in der Liturgie neu akzentuiert, macht unmittelbar deutlich, dass es genau darum geht: die schlichte Nachfolge in den Spuren des Gottessohnes aus Nazareth.
Als einfachen Gläubigen irritiert es mich durchaus, wenn bei den päpstlichen Liturgien der Liturge neuerdings (wieder) hinter sechs goldenen, übermannshohen Leuchtern verschwindet, die teils sogar das Geschehen auf dem Altar verdecken, im Zweifel aber „überstrahlen“.
Leichtes Unbehagen empfinde ich auch bei der Vielfalt der Kleidungsstücke für höhere und „niedere“ Kleriker, angefangen von der Cappa Magna, der meterlangen Schleppe die sich einige Kardinäle und Bischöfe heute wieder nachtragen lassen, den „Pontifikalhandschuhen“ oder „Pontifikalpantoffeln“, die man auf dem ein oder anderen Bild einer liturgischen Feier bei der Piusbruderschaft noch sieht, oder einem hermelingefütterten Mützchen namens Camauro mit dem sich Papst Benedikt XVI. einmal vor der Frühjahrskälte schützte. Für all das gibt es sicher gute Gründe und teilweise sogar liturgisch-theologische Sinnhaftigkeiten. Aber all dies ereignet sich in einem „heutigen“ und weitgehend modernen „Bezugsrahmen“, der die Botschaft mit bestimmt. Und letztlich sollte unser ganzes Tun und auch unsere liturgische Kleidung (bzw. die angemessene Kleidung der kirchlichen Repräsentanten) Maß nehmen am Gewand Jesu und der Sandale Jesu Christi und weniger am farbenprächtigen „Putz“ des Hohenpriesters am Tempel zu Jerusalem. Wenn unser Gewand Zweifel daran nährt, dass es uns um die Sache Jesu geht, dann sollten wir notfalls bereit sein, wertvolle Textilien in Museen und Vitrinen bewundern zu lassen und uns intensiver der Botschaft des Evangeliums zuwenden.
Ich weiß durchaus, dass manche "modernen" Gewänder nicht gelungen sind. Aber es gibt trotzdem zahlreiche Beispiele moderner litugischer Gewandung in denen sich Schönheit, Schlichtheit und frohe Botschaft gut zusammenfügen. Jedes liturgische Gewand sollte Maß nehmen an der biblischen Botschaft, zum Beispiel der der Offenbarung des Johannes, wo es heißt: „Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Ich erwiderte ihm: Mein Herr, das musst du wissen. Und er sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. ... der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“

Matthias Matussek im Spiegel: 


Die Fülle liturgischer und außerliturgischer Kopfbedeckungen, u.a. dem Camauro und noch viel mehr präsentiert Dieter Philippi auf seiner Homepage, deren Besuch ich unbedingt empfehle:

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