Montag, 28. Mai 2012

Von ATHANASIUS von Alexandrien zu Athanasius von Astana


Athanasius der Groß
Schon als Kind ließ mich in der Allerheiligenlitanei ein Name ganz besonders aufhorchen. Heiliger Athanasius – bitte für uns. Während die Namen der „vertrauten“ Heiligen nur so dahinplätschern und man sich im wohltuenden Wechselgebet zwischen Priester und Gemeinde aufgehoben fühlt, so erklang dieser Name wie ein Donnerschlag. Athanasius, das klingt nach Energie, nach Nähe zum Ursprung, nach unverrückbarem Fundament, nach geistlicher und sprachlicher Kraft.
Erst viel später habe ich nachgesehen, um welchen „Athanasius“ es sich handelt. Es ist Athanasius der Große. Sein griechischer Name bedeutet „der Unsterbliche“. Als Bischof von Alexandria war er entschiedener Gegner des Arianismus (der Idee, Jesus Christus sei Geschöpf des Vaters). Neben Nikolaus von Myra und vielen weiteren Bischöfen war er Teilnehmer des Konzils von Nicäa. Ganz im Gegensatz zum starken Namen war er wohl ein kleiner schwarzer Mann, seine Gegner verspotteten ihn als „schwarzen Zwerg“. Zeit seines Lebens war er zahlreichen Verfolgungen ausgesetzt und musste immer wieder vor seinen Verfolgern fliehen. Die Wahrheit, die er im Glauben erkannt hatte, verteidigte er Zeit seines Lebens.
Es ist sicher gut, einem solchen „Kirchenvater“ zu nachzufolgen. Und wenn man das aufregende Leben des „heiligen schwarzen Zwerges“ im theologischen Hinterstübchen hat, dann wird man besonders aufmerksam, wenn man heute einem Menschen begegnet der diesen Namen trägt. Kennen Sie da einen? Ich wüsste nicht, dass in den über 30 Jahren, die ich sehr bewusst in der Kirche lebe, ein einziges mal erlebt habe, dass ein Kind (nicht einmal mit zweitem oder drittem Namen) Athanasius getauft wurde.
Den dazu notwendigen frommen Mut hatten wohl auch Josef Schneider und seine Frau Maria nicht, als sie ihren Sohn im Jahre 1961 auf den Namen Anton tauften. Aber immerhin kommt das von Antonius, und wenn sie als seinen Namenspatron den Wüstenvater gewählt hatten, dann war er der, dessen Lebensbeschreibung aus der Feder des Athanasius bis heute berühmt ist.
Bischof Atanazy Schneider ORC
Als Anton Schneider nunmehr im Jahre 1982 dem Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz beitrat, legte er den Vornamen des Wüstenvaters ab und nahm als Ordensnamen den Namen des urchristlichen Bischofs an. Seit 2006 ist er selbst Weihbischof Athanasius von Astana in Kasachstan. Zum Bistum gehören 21 Pfarreien und ca. 90.000 Katholiken, die von 34 Priestern betreut werden. Der Weihbischof ist seitdem viel unterwegs, hält zahlreiche Vorträge und feiert Hl. Messen, vor allem im außerordentlichen Ritus. Wer seinen Namen googelt findet Belege seines Wirkens in vielen Orten der Welt. Mehr über die Kirche in Kasachstan findet sich auch in deutscher Sprache hier: http://www.catholic-kazakhstan.org/
Sehr populär wurde Weihbischof Athanasius Schneider ORC in einigen Kreisen in Deutschland durch sein Buch „Dominus est“ mit Gedanken über die Hl. Kommunion. Auf dem Titel ist ein sehr hübsches Bild zu sehen, auf dem Papst Benedikt XVI. einem Erstkommunionkind die Hl. Kommunion spendet. Zum Inhalt dieses Buches und zum kraftvollen Vornamen des Verfassers passt, was dieser kürzlich in einem Vortrag in Paris (15.1.2012) ausführte. Er sprach – unter anderem von den „fünf Wunden am liturgischen Leib der Kirche“.
Sie ahnen schon, was er meinen könnte... (1. Zelebrationsrichtung, 2. Handkommunion, 3. neue Opferungsgebete, 4. Verschwinden der lat. Sprache und schließlich 5. Frauen im liturgischen Dienst. Möglicherweise ist diese bildhafte Sprache ja eine Besonderheit der kasachischen Frömmigkeit, ich muss aber ehrlich gestehen, dass mich die Gleichsetzung der Wunden Jesu und der – nach Auffassung von Weihbischof Athanasius – fünf Irrungen und Wirrungen des liturgischen Lebens etwas irritiert zurücklässt. Mir wäre es etwas nüchterner lieber gewesen. Ich habe in einem alten Gebetbuch einmal gelesen, man soll den Namen Jesu nicht unwürdig aussprechen.... Diese Art, seine persönlichen Anliegen und Überzeugungen mit dem Leben Jesu zu verbinden würde für mich darunter fallen. Letztlich möchte Bischof Athanasius Schneider ORC auf folgendes hinaus: „Wenn man diese fünf Wunden heilen würde, dann wäre der Unterschied („der Bruch“) in der Liturgie der außerordentlichen und der ordentlichen Form des römischen Ritus beinahe aufgehoben.“
Vielleicht sollte es mich versöhnen, dass der Weihbischof davon spricht, dass die Wunden nach Heilung rufen. Das unterscheidet sie von den Wunden Jesu, die vor seiner Himmelfahrt nicht heilen konnten und die der Apostel Thomas am Auferstandenen in Augenschein nehmen wollte.
Ich möchte dem Weihbischof gar nicht in allen Punkten widersprechen. Mir geht es vielmehr darum zu bedenken, ob der Bruch, den er zu erkennen glaubt, vielleicht gar keiner ist. Daher möchte ich gern auf seine Argumentation in Sachen Zelebrationsrichtung eingehen.
Es liegt sicher eine gewisse Geringschätzung darin, wenn davon gesprochen wird, dass in der außerordentlichen Messform die Messe „mit dem Rücken zum Volk“ zelebriert würde. Weihbischof Athanasius und mit ihm inzwischen viele Diskutanten sprechen daher inzwischen von „ad orientem, ad Crucem, ad Dominum“; also Zelebration nach Osten, zum Kreuz, zum Herrn hin. Oder, dass Gemeinde und Priester sich gemeinsam zum Herrn hinwenden. (Vielleicht sollte man in diesen Foren einmal darüber nachdenken, wie überzeugend es eigentlich ist „ad tabernaculum“ zu zelebrieren, wie es in den meisten Messen im außerordentlichen Ritus noch immer geschieht.)
Im „normalen“ Ritus wird üblicherweise „versus populum“ gefeiert. Aber manchmal wird das ebenso geringschätzig zugespitzt. Vielleicht sollte man besser von „versus participantes“ reden.
Ich halte es für falsch, hier zu behaupten, dass man „zum Volk hin“ schaut oder zelebriert. Jeder einigermaßen gebildete Katholik weiß, dass im Mittelpunkt der Altar steht. Dass also Priester und „Volk“ auf die eucharistischen Gaben schauen. Auf Christus, der in der Mitte der Gemeinde gegenwärtig ist. Auch ist vorgeschrieben, dass auf oder über dem Altar ein Kreuz sichtbar ist.
Also ist auch diese Zelebrationsrichtung nichts anderes als „ad Crucem“ und mehr noch „ad Dominum“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott Vater, dass Christus, ja dass das Wirken des Hl. Geistes nur auf eine Richtung hin „wirksam“ werden können. Anders als die Muslime kennen wir Christen daher auch keine verbindliche Gebetsrichtung und unsere Kirchen sind nicht konsequent orientiert bzw. geostet.
Am heutigen Pfingsttag hören wir im Evangelium, dass Christus in die Mitte seiner Jünger tritt. In der Lesung des Pfingsttages ist das Brausen und das Feuer des heiligen Geistes mitten unter ihnen, ohne dass sie genau beschreiben können was mit ihnen geschieht. Und wenn nur zwei oder drei in Jesu Namen beisammen sind, dann ist er mitten unter ihnen. Dem Apostel Thomas tritt Christus gegenüber und zeigt ihm seine Hände und seine Seite.
Immer wieder wird (auf den ersten Blick zu Recht) darauf hingewiesen, dass das Konzil überhaupt keine Veränderung der Zelebrationsrichtung gefordert hatte. Aber gleichzeitig darf man auch nicht so tun, als wäre die Zelebration „versus populum“ eine Erfindung übereifriger deutscher Priester. Sie war Teil der Liturgiereform, die Papst Paul VI. im Auftrag der Konzilsväter des 2. Vatikanischen Konzils umgesetzt hatte. Aber es entschied, dass der Altar frei stehen sollte, damit er die Mitte ist, auf die sich die Versammlung ausrichtet.
Vor einigen Jahren (2000) hatte Joseph Kardinal Ratzinger in seinem Buch „Der Geist der Liturgie“ Sympathien für die „alte“ Zelebrationsrichtung erkennen lassen. Aber schon 1966 schrieb er – wie ich finde recht nachdenklich - „Muss eigentlich wirklich jede Messe versus populum (=zum Volk hin gewendet) zelebriert werden? Ist es eigentlich so wichtig, dem Priester ins Gesicht schauen zu können, oder ist es nicht oft recht heilsam, daran zu denken, dass er Mitchrist mit den anderen ist und so allen Grund hat, sich gemeinsam mit ihnen zu Gott hin zu wenden und so mit allen zu sagen ‚Vater Unser’?“ Wer wird ihm da widersprechen wollen?
Interessant ist, dass die päpstliche Hauskapelle so eingerichtet ist, dass der Zelebrant gar nicht „hinter“ dem Altar stehen kann, der Papst zelebriert hier also grundsätzlich vor dem Altar. Im Vorwort zum ersten Band seiner gesammelten Werke geht er auf die – für ihn offensichtlich überraschend heftige Diskussion auf die Bemerkungen im „Geist der Liturgie“ ein und versucht die Positionen zusammenzuführen. So schreibt er, man solle „...einfach das Kreuz in die Mitte des Altares zu stellen, auf das Priester und Gläubige gemeinsam hinschauen, um sich so auf den Herrn hinführen zu lassen, zu dem wir alle miteinander beten.“ Der heutige Papst möchte offensichtlich vermeiden, dass man die Diskussion um die Gebetsrichtung „ideologisch“ auflädt.
Ich denke, dass es sehr unterschiedliche Sichtweisen und (Be)Deutungen der Gebetsrichtung geben kann. Bei einem Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung stelle bzw. kniee ich mich auch zu einer Zeit der Stille und Anbetung mit den Gottesdienstbesuchern vor den Altar. In Taizé richten sich alle zum Gebet gemeinsam „zum Herrn hin“ aus. In vielen Gebetsformen ist diese Gebetsrichtung auch in „normalen“ katholischen Gemeinden üblich. Bei anderen Gelegenheiten versammelt man sich im Gebet um eine Mitte herum, die idealerweise auf Gott, auf Christus hinweist. Aber in der Messe kommt noch etwas hinzu. Hier ist es der Priester, der im Moment der Wandlung „in persona Christi“ handelt. Unser Gegenüber ist in der Tiefe nicht der Priester, es ist in Wahrheit Christus selbst. 

Lieber Weihbischof Athanasius Schneider OSC von Astana. Wäre es nicht schön, wenn wir gemeinsam die Wunden des Leibes Jesu verkündigen, wie am Feuer der Osternacht: „Durch seine heiligen Wunden, die leuchten in Herrlichkeit behüte uns und bewahre uns Christus der Herr.“ Denn „Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt.“


Aktuelle Predigt von Weihbischof Atanazy Schneider in Maria Vesperbild: www.gloria.tv/?media=295287. Darin greift er die Methapher von den Wunden am liturgischen Leib ebenfalls auf.

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