Donnerstag, 13. März 2014

"Geschwächte Bischöfe" oder "ein deutscher Papst"?

“Habemus Marx” posteten gestern einige Katholiken in die sozialen Netzwerke, als bekannt wurde, dass der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx der neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ist. 
Die weiter gehenden Kommentare hielten sich – interessanterweise – durchaus in der Waage. Die Einen loben Marx dafür, dass er eher konservativ sei. Die Anderen betonten, dass er in jüngster Zeit eher liberale Töne anschlug. Die neue Tagesthemen – Moderatorin Pinar Atalay vermochte ihn im abendlichen Interview nicht eine eindeutige Stellungnahme für die Teilnahme von wiederverheirateten Katholiken am “Abendmahl” festzunageln. Die Medien berichten allesamt recht positiv über den gebürtigen Westfalen, den es ins “barocke” München verschlagen hat. Die FAZ weiß zu berichten, dass die Mehrheit für Marx knapp war. “Die Weihbischöfe” hätten letztlich den Ausschlag gegeben, will Daniel Deckers wissen. Wie er das bei einer geheimen Wahl herausbekommen hat, das wird sein Geheimnis bleiben. Oder hat er einfach nur gerechnet? 63 wahlberechtigte Mitglieder, 27 Diözesanbischöfe, ah – es stimmt: wenn alle Weihbischöfe gegen ihn gestimmt hätten – wäre er es nicht geworden ;-).

Ein “deutscher” Papst sei der Vorsitzende der Bischofskonferenz natürlich nicht, betonten gestern zahlreiche Bischöfe, zuvorderst der Kardinal selbst in seiner ersten Stellungnahme. In seiner morgendlichen Predigt im Paulusdom hatte dieser zwar klar gemacht, dass er theologisch auf einer Linie mit Papst Franziskus liegt; von Auftreten und Habitus kommt der Münchener aber doch ganz anders rüber. Eher der Typ “barocker Fürstbischof”, wie manche Kommentatoren meinten, den Freuden des Lebens nicht abgeneigt, Zigarrenraucher, Gerne – Esser und Trinker (Fresser und Weinsäufer)? Bin ja mal gespannt, wann man sich mit seiner Residenz oder den Bauplänen in der Münchener Innenstadt beschäftigt. 

Nun, wir werden sehen, wie er in den nächsten Jahren der katholischen Kirche in Deutschland ein Gesicht gibt. Es ist ihm – in unser aller Interesse – viel “Erfolg” zu wünschen. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen den Beistand des Hl. Geistes, Kreativität, stets das rechte Wort und Gottes reichen Segen. 

Ein Diözesaner des Limburger Bischofs, der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach nutze die Aufmerksamkeit, die ihm die diesjährige Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe einbrachte, zu einem starken Statement, das er mit den Worten: “Gemeinschaft der Geschwächten” überschrieb. 

“Die Bischofskonferenzen, die erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschaffen worden sind, haben das Amt des katholischen Bischofs demontiert und in einer Weise zum Schrumpfen gebracht, dass von dem eigentlichen Bild, das die Kirche von dem Bischofsamt hat, nicht viel übrig gelassen hat.” Mit dieser steilen These eröffnet er das Gespräch. Ob er da wohl übersehen hat, dass die (nach einigem Vorgeplänkel) am 22. Oktober 1848 erstmals tagende "Versammlung der deutschen Bischöfe" den damaligen Kölner Erzbischof Johannes von Geissel zum Vorsitzenden wählte und dass die deutsche Bischofskonferenz mitnichten eine “Erfindung” des Konzils ist? Nachzulesen ist das in einem interessanten Papier auf: www.dbk.de/fileadmin/redaktion/bildmaterial/ueber_uns/Geschichte-Deutsche-Bischofskonferenz_Langfassung.pdf.

Das Deutschlandfunk-Gespräch erinnert sehr an Mosebachs starkes (und sicher lobenswertes) Engagement für die außerordentliche Form des röm. Ritus und gegen eine “Häresie der Formlosigkeit”. Aber nicht immer ist das II. Vaticanum “Schuld” an allen Mißständen. Im Gegenteil, hier zeigt sich, dass dieses Konzil einer schon länger in vielen Ländern “gelebten” Idee von Brüderlichkeit, Kooperation und Miteinander eine verbindliche Form gab. 

Die Herausforderungen, die mit einem solchen Zusammenschluß verbunden waren, benannten die Bischöfe schon 1867 wie folgt: Sie hielten in der Geschäftsordnung fest, dass sie in den "bischöflichen Conferenzen ... nicht den deutschen Episkopat als eine Gesamtheit" vertreten wollten. Sie beabsichtigen vielmehr, "alle zwei Jahre für die Dauer von höchstens sieben Tagen" in Fulda zusammenzukommen, um "sich persönlich kennen zu lernen", um "das Band der Liebe und der Einheit zu stärken" und "solche Verhältnisse und Maßnahmen zu besprechen und zu berathen, welche die Interessen der Religion in unserer Zeit besonders berühren".

Vom Ende des 2. Weltkrieges bis zu dem, von Mosebach als “Zeitenwende” verstandenen, 2. Vatikanischen Konzil führte wieder ein Kölner Erzbischof, Josef Kardinal Frings, die Deutsche Bischofskonferenz. 

Mosebachs erster (und im Grunde einziger) inhaltlicher Einwand gegen die Neuerung der Bischofskonferenzen ist: “Man hat die Illusion einer Nationalkirche geschaffen, die so in der katholischen Tradition überhaupt nicht vorgesehen ist. Die katholische Kirche kennt nicht die Vorstellung von Nationalkirchen. Jeder Bischof ist in seinem Bistum im Grunde Papst und steht in unmittelbarer Verantwortung, in Äquidistanz zur gesamten Kirche.”

Das ist genau der Einwand, dem die deutschen Bischöfe schon 1867 in ihrer Geschäftsordnung Rechnung trugen. Man wolle gerade nicht den “deutschen Episkopat als eine Gesamtheit” vertreten. Die Interviewerin des Deutschlandfunks, Marietta Schwarz, nennt daher die Argumentation Mosebachs auch eine “sehr intellektuelle Diskussion” und fragt den Autor, ob es nicht sinnvoll ist, dass die Bischöfe ein gemeinsames Gremium hätten. Dieser Einwurf bringt Mosebach dazu, über “Bürokratie, Apparate und Verwaltung” zu lamentieren. 

Nach Mosebachs Meinung ist auch nicht der Vorsitzende entscheidend, sondern die eigentlich machtvolle Position sei die des “Sekretärs der Bischofskonferenz”. Da kann ich Mosebachs Sorge nicht teilen, so wie Kardinal Marx auftritt, halte ich es für undenkbar, dass er sich von einem machtvollen Sekretär gängeln ließe. (Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der gerade im Amt bestätigte Pater Dr. Hans Langendörfer SJ sich selbst so sieht.)

Aber man sollte die Sorge des prominenten Frankfurter Katholiken nicht kleinreden. Zumal Mosebach nicht der Einzige ist, der sich über die rechte Gewichtung, das Gleichgewicht von Papst- und Bischofsamt, Synoden und Konferenzen, Beteiligung und Zusammenarbeit Gedanken macht.

Sicherlich gibt es die Gefahr, dass es zu einer “Schwächung” des einzelnen Bischof kommen kann. Obwohl – wen könnte er konkret meinen? Gerade wurde ein solcher (Erz-)bischof emeritiert, der Kölner Kardinal Meisner. Aber dieser ist doch das beste Beispiel, dass das sein kann – aber nicht muss. Meisner hat sich sicher nicht schwächen lassen und nie hinter Beschlüssen einer Konferenz versteckt. Heute braucht das Bischofsamt – mehr als in der Vergangenheit – eine starke und kommunikative Persönlichkeit, jemanden, der es auch auszufüllen versteht. Allein das Amt macht den Amtsträger noch nicht zum Hirten, Lehrer und Priester. 

Wenn ein Bischof sein Amt in dieser Eigenständigkeit ausübt, aber die Vorteile der gemeinsamen Beratung und des gemeinsamen Auftretens nutzt, dann kann durch eine Bischofskonferenz auch eine neue Stärke möglich sein. Nicht nur für die Bischöfe als “Kollektiv” sondern auch für den Einzelnen in der Kollegialität. 

In den letzten Jahren wurde – im Gegenteil – auch eher die mangelnde Solidarität und Absprache unter den Bischöfen bemängelt. Auch Mosebach sieht die Notwendigkeit der Kooperation der Bischöfe und die Vorteile, wenn Bischöfe miteinander sprechen und sich abstimmen. Er schlägt dafür die Synoden vor und verweist auf die bestehenden Kirchenprovinzen. Es scheint vor allem der “Apparat” zu sein, der ihm ein Dorn im Auge ist. Letztlich bleibt aber die Frage, ob sich in den Augen der kirchlichen und nichtkirchlichen Öffentlichkeit dieser Unterschied überhaupt wahrgenommen würde. Und ob eine Synode ohne eine weitere personelle Unterstützung überhaut arbeitsfähig wäre. 

Martin Mosebachs "stichhaltigstes" Argument ist ja die Frage, ob es durch die Konferenz der deutschen Bischöfe eine Art “Nationalkirche” und eine entsprechendes Bewusstsein gefördert wird, etwas, was in der römischen Weltkirche nicht vorgesehen ist. Angesichts der Entwicklung in der orthodoxen Kirche, wo es zahlreiche autokephale Nationalkirchen gibt – ist die Sorge ja auch nicht unberechtigt. Auf der anderen Seite zeigt aber die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Bischöfe (CELAM, gegründet von Papst Pius XII.) über Landesgrenzen hinweg, dass sich hilfreiche Strukturen der Kooperation auch jenseits von “Nationalkirchen” zusammenfinden können. Wichtig bleibt nur aufmerksam zu bleiben, wo sich Strukturen verfestigen, für die es keinen Sinn und keine Notwendigkeit mehr gibt. 

Gegen den Einwand seiner Gesprächspartnerin beim Deutschlandfunk, dass es doch bedeutsam ist, dass die Kirche mit einer Stimme sprechen könne lobt Martin Mosebach die Vielfalt der Stimmen auch unter den Bischöfen, die er als Reichtum begreift. Für ihn sind durchaus kontroverse Meinungen möglich und immer noch besser als ein schwacher Konsens. Die Interviewerin wendet ein, dass ein Katholik doch Orientierung braucht und ob er die denn eher bei seinem Bischof oder beim Papst in Rom suchen solle? 

Die Antwort Mosebachs ist zwar konsequent auf der Linie seiner Argumentation, aber sie überrascht denn doch: Entscheidend sei für den Einzelnen “sein Bischof. Sein Bischof ist die wichtigste Bezugsperson eines traditionellen Katholizismus. Und dieser Bischof ist heutzutage eingeklemmt in eine Fülle synodaler Gremien in seinem Bistum, die da geschaffen worden sind, und in die Bischofskonferenz, und kann sich im Grunde frei überhaupt nicht mehr bewegen.”

Ob er da ein wenig zu sehr vom Fluß seiner Argumentation gezogen wurde? In vielen Diskussion wird ja genau andersrum argumentiert. Da wird nämlich der vermutete oder bekannte Wille des Papstes immer wieder gern gegen die Meinung eines Bischofs ins Feld geführt. Konservativere Gruppen betonen gern ihre “Rom-” und “Papsttreue” gegen die als allzu liberal zugeordneten Ortsbischöfe. Mosebachs eigenem Bischof wurde in den Querelen von seinen Kritikern zunächst vorgeworfen, dass er eher so etwas wie ein “römischer Beamter” denn der Ortsbischof der Diözese Limburg sei.  

Ich möchte Mosebach deutlich widersprechen. Eine Konferenz der deutschen Bischöfe ist unverzichtbar! Wenn es die nicht schon seit über 150 Jahren gäbe – sollte man sie spätestens heute neu erfinden. In der heutigen Zeit und in der Vielgestaltigkeit und Pluralität des Denkens und Argumentierens und der Lebensentwürfe braucht es ein munteres Miteinander der Bischöfe. 

Einheit und Solidarität fallen nicht vom Himmel und sie stellen sich auch nicht automatisch ein, wenn sie nur laut genug postuliert werden. Das haben die Bischöfe schon 1867 erkannt, als sie sich auf die Fahnen schrieben, dass Ziel der Begegnungen sei: “sich persönlich kennen zu lernen", um "das Band der Liebe und der Einheit zu stärken".

Und das, obwohl die Herausforderungen damals noch nicht so groß waren. Ein Bischof - sagen wir mal im Jahre 1925 - hatte eine deutlich andere Amtsführung als ein Bischof heute. Auch war die Globalisierung noch nicht so fortgeschritten. Den Limburg - Hype hätte es unter den damaligen Bedingungen nie gegeben. Informationen bewegten sich gemächlich auf dem Postweg oder über kirchliche Zeitungen. Die Katholiken in einem Bistum blickten vor allem auf den eigenen Bischof – und auf den Papst in Rom. Beide wurden durchaus als Einheit betrachtet. 

Die heutigen Kommunikationsmittel und die sozialen Netzwerke weiten den Blick enorm. Mit einzelnen Bischöfen kann der “normale” Gläubige sogar bei facebook in Kontakt treten. Neben den eigenem Bischof werden auch die anderen Bischöfe mehr wahrgenommen, ja manche Katholiken haben sich ihren “gefühlten Diözesanbischof” im Internet (oder der Zeitung) selbst ausgesucht. Das zeigte sich nicht zuletzt auch bei Unterschriftenaktionen für Kardinal Meisner, Bischof Mixa oder Bischof Tebartz-van Elst, wo Unterzeichner aus dem gesamten Bundesgebiet (Mosebach würde sagen, der Nationalkirche) kamen. In dieser Situation braucht es soviel Miteinander wie notwendig - im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz - und soviel Eigenständigkeit wie möglich im Rahmen der bischöflichen Amtsführung in einer Diözese oder Kirchenprovinz. Daher wäre ich für das Jahr 1925 vielleicht noch geneigt Martin Mosebach zustimmen - für 2014 kann ich es nicht mehr. 

Auch das wohlfeile Lamento über den angeblichen Apparat und das Eigenleben der Verwaltung kann ich nicht recht teilen. Nach freundlicher Auskunft der Pressestelle arbeiten für die Bischofskonferenz 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedensten Bereichen. (Hier ein Organigramm). Ich denke angesichts der Mitarbeiterzahl der bischöflichen Verwaltungen ist das angemessen. Ohne diese Zuarbeit könnte der neue Vorsitzende Reinhard Kardinal Marx diese Arbeit überhaupt nicht leisten.

Und letztlich: wenn die Bischöfe selbst die Zusammenarbeit suchen und pflegen (trotz mancher von Mosebach sicher richtig benannten Risiken und Probleme) - warum sollte dann Martin Mosebach als dort Außenstehender besser wissen was gut und richtig ist als die Betroffenen selbst? 
Noch nie habe ich in den letzten Jahrzehnten einen Bischof (oder gar einen Papst) gehört, der die Sinnhaftigkeit der gemeinsamen Konferenz in Frage stellte. Wohl aber sehe ich Bischöfe, die für ihre eigenen kirchlichen und christlichen Überzeugungen auch über die Konferenz hinaus mit Wort und Tat einstehen. 

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