Freitag, 23. Januar 2015

Georg Gänswein als Prophet der Islamisierung? Der Vatikan unterstützt PEGIDA?

Für einige Beobachter war es erstaunlich, wie deutlich sich die Katholische Kirche gegen „PEGIDA“ und andere extrem islamkritische bis islamfeindliche Bestrebungen gewandt hat. Ein erster (auch medialer) Paukenschlag waren einige Bischöfe, die sich kritisch äußerten. Dann folgte die „Licht-aus“ - Aktion des Kölner Domkapitels verbunden mit deutlichen Worten von Kardinal Woelki. Den (vorläufigen) Schlussakkord setzte die überraschend klare und pointierte Reaktion des Münsteraner Bischofs Felix Genn zum Engagement eines Pfarrers der Diözese bei einer Duisburger PEGIDA-Demo: 

„Wir weisen die Aussagen von Herrn Pfarrer Spätling entschieden zurück. Wir distanzieren uns mit Nachdruck von seinem völlig verzerrten Bild von Geschichte und Gegenwart. Herr Pfarrer Spätling bedient mit seinen Äußerungen undifferenzierte Klischees gegenüber dem Islam. Er schürt mit seinen Aussagen eine Feindlichkeit gegen „den Islam“, die wir für gefährlich erachten. Mit solchen Äußerungen – für die Herr Pfarrer Spätling, indem er äußerlich sichtbar als katholischer Priester auftritt, auch noch seine Autorität als Pfarrer und Priester missbraucht – legt er die Grundlagen für rechte Ideologien, für Fremdenfeindlichkeit und für ein Gegeneinander der Religionen, die in der katholischen Kirche keinen Platz haben. 

Die christliche Botschaft ist keine der Ausgrenzung, des Hasses und der Gewalt, sondern eine der Liebe und der Menschenfreundlichkeit. Wir sind dankbar dafür, wie viele Menschen in diesen Tagen auf die Straßen gehen und genau in diesem Sinne ein Zeichen setzen – darunter sind auch ganz viele Christinnen und Christen. Uns droht in Deutschland ganz sicher keine Islamisierung. Als Christen steht es uns gut an, den Menschen, die Zuflucht bei uns suchen, zu helfen und für sie da zu sein. Das geschieht auf ganz vielfältige Art und Weise. Zudem sind wir auf unterschiedliche Weise und auf vielen Ebenen mit muslimischen Vertretern im Gespräch und werden dies auch bleiben.“ 

Diese Worte hallten (und hallen) noch nach und brachten – verständlicherweise – die PEGIDA-Anhänger auf die Palme, was sich in langen Tiraden und heftigen Anfeindungen in den sozialen Netzwerken niederschlug. 

Aber auch „katholische Kreise“ folgen nicht einhellig ihren „Oberhirten“. Auch hier gibt es klaren Widerstand und deutlichen Widerspruch (der bedauerlicherweise den PEGIDISTEN in der Wortwahl manchmal in nichts nachstand). Offenbar gibt es auch unter einer Minderheit von Katholiken eine tiefe Angst gegenüber dem Islam und den Wunsch, zu radikalen "Lösungen" zu kommen. 

Bischof Oster von Passau stellte in einem Hirtenbrief (bei facebook) fest, dass man durchaus mit Besorgnis auf Entwicklungen in islamischen Ländern schaut, dass gegen „Islamisierung“ aber nur eine vertiefte Evangelisierung helfen würde, wobei es ihm aber nicht darum ging, Muslime zum Christentum zu bekehren, sondern Christen zu besseren Christen zu machen.

Ein Ausspruch des sehr populären Sekretärs des emeritierten Papstes Benedikt XVI, gleichzeitig Präfekt des päpstlichen Hauses bei Papst Benedikt, wurde in den letzten Tagen in immer neuen Schleifen durch das Internet gejagt und von den Kritikern der Bischöfe Deutschlands eben diesen vorgehalten: Seht, sogar der „VATIKAN“ ist auf unserer Seite, dort sieht man das Unheil am Horizont klarer als ihr. Verwunderlich bei einer Aussage, die vor fast acht Jahren in einem ganz anderen (inhaltlichen) Umfeld getätigt wurde.

Offensichtlich haben Kritiker aus PEGIDA – Kreisen das Engagement der Kirche für verfolgte Christen in aller Welt gar nicht wahrgenommen. Anders kann man zahlreiche Behauptungen über „die Kirche“ und „die Bischöfe“ in diesen Tagen nicht interpretieren. Zumindest bei vielen Wortmeldungen darf man zweifeln, dass sie in den letzen Monaten (oder Jahren) eine Kirche von innen gesehen, geschweige denn einen Priester predigen und eine Gemeinde im fürbittenden Gebet gehört haben. Von Spendenaktionen und Kollekten möchte ich eigentlich gar nicht erst schreiben.

Etliche Kommentatoren führten auch Papst Benedikt XVI. ins Feld, der in seiner Regensburger Rede vor den Gefahren des Islam gewarnt habe. Kennern der Theologie des Papstes und seiner berühmten Rede nehmen das erstaunt zur Kenntnis, denn es ging dem Pontifex damals überhaupt nicht um den Islam. Er wollte mit einem Zitat des mittelalterlichen Kaisers Manuel II. Palaiologos (im Dialog mit einem – vermutlich schiitischen Muslim (Perser)) nur eines belegen: Man kann einen Menschen nicht gegen die Stimme der Vernunft für den Glauben gewinnen. In der Konsequenz ist daher ein Zwang im Glauben undenkbar und führt niemals zum Ziel. Es ist bedauerlich, dass die Christenheit diesen Gedanken nicht schon damals, im 14. / 15. Jahrhundert tiefer durchdacht und angewendet hat. So wäre den indigenen Völkern Amerikas oder den Juden Spaniens wohl manche Ungerechtigkeit und Gewalt erspart geblieben. Die Rede Benedikts ist daher mitnichten gegen den Islam gerichtet, höchstens gegen eine problematische Interpretation dieser Weltreligion, die auf Gewalt als Mittel der Mission setzt. Aber auch hier richtet sich die Spitze gegen jeden, der Gewalt in Glaubensdingen legitimiert, sei er Christ, Hindu, Muslim oder....

Die katholische Kirche leugnet in keiner Weise problematische Strömungen im Islam. Und Dialog bedeutet, dass gerade auch kritische Punkte angesprochen werden. Auch für uns Christen ist es hilfreich, vom Muslimen kritisch befragt zu werden. So können sich manche Fragen klären und man kommt gemeinsam voran. In jedem Fall aber erfolgreicher, als auf Wegen, die auf scharfe Konfrontation und Auseinandersetzungen gründen oder dorthinein führen. 

Leider hatten 2006 einige Zeitungen die Rede Benedikts als gegen den Islam gerichtet missverstanden und durch eine verkürzte Wiedergabe mit zu den heftigen Reaktionen in der islamischen Welt beigetragen. 

Und hier kommt das Gänswein – Zitat ins Spiel. Die in 2014/2015 zitierten Worte hat er in eine Interview im Peter Seewald (kursiv gesetzt) geäußert, veröffentlicht in der Ausgabe 30/2007 des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Das ist als inzwischen über sieben Jahre her. Aber lesen Sie selbst, was Gänswein im Kontext sagt (im Netz ist das ganze Interview nicht leicht zu finden. Aber Sie haben ja dieses Blog): 

„Alle seine wichtigen Texte schreibt der Papst selbst, auch die Rede von Regensburg mit dem umstrittenen Zitat aus einem historischen Buch über einen Disput mit den Muslimen. Warum hat den Text niemand gegengelesen? 
Ich halte die Regensburger Rede, so wie sie gehalten wurde, für prophetisch. 

War das Erschrecken groß, als die wütenden Attacken aus der islamischen Welt bekannt wurden?
Dass es einige grobe Reaktionen gab, hörten wir erstmals nach der Rückkehr aus Bayern am Flughafen in Rom. Es war eine große Überraschung, auch seitens des Papstes. Der mächtige Wirbel war zunächst durch Zeitungsberichte entstanden, die ein bestimmtes Zitat aus dem Zusammenhang gerissen und als des Papstes persönliche Meinung dargestellt hatten. 

Im real existierenden Islam, also überall dort, wo diese Religion Staat und Gesellschaft beherrscht, werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Die Verfolgung von Christen hat dramatisch zugenommen. Und der Präsident der islamischen Republik Iran hat gerade wieder erklärt, der Countdown für die Zerstörung Israels habe begonnen. Ist die Vorstellung von einem echten Dialog mit dem Islam nicht allzu naiv?
Die Islamierungsversuche im Westen sind nicht wegzureden. Und die damit verbundene Gefahr für die Identität Europas darf nicht aus falsch verstandener Rücksicht ignoriert werden. Die katholische Seite sieht das sehr klar und sagt es auch. Gerade die Regensburger Rede sollte einer bestimmten Blauäugigkeit entgegenwirken. Festzuhalten ist, dass es den Islam nicht gibt, und er kennt auch keine alle Muslime verpflichtend-bindende Stimme. Unter dem Begriff versammeln sich viele, unterschiedliche, teils untereinander verfeindete Strömungen, bis hin zu Extremisten, die sich bei ihrem Tun auf den Koran berufen und mit dem Gewehr zu Werke gehen. Auf institutioneller Ebene versucht der Heilige Stuhl, durch den Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen.“

Der Kontext der Aussage war also die Regensburger Rede des damaligen Papstes und die Reaktionen aus der islamischen Welt, die der Papstsekretär in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit ins Wort bringt. Abschließend betont er, dass einer der Schwerpunkte des Pontifikats im Dialog mit dem Islam liegt, mit dem Ziel die bestehenden Konflikte und Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen und zu einer friedlichen Koexistenz zu kommen. Soweit ich das verstehe, geht es dem heutigen Erzbischof auch nicht darum, die freie Religionsausübung der Muslime in Europa einzuschränken, sondern darum, dass die europäischen Gesellschaften nicht ihre christlichen Wurzeln vergessen. Die Gefahr durch die Säkularisierung ist hier bedeutsamer, denn solche Strömungen „benutzen“ häufig die angeblichen Interessen „der Muslime“ um die Religion aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Die Diskussionen um „Weihnachts- oder Wintermärkte“, St. Martin oder Kreuze in öffentlichen Gebäuden haben das deutlich vor Augen geführt.

Interessant ist natürlich der Satz, dass die Rede auch einer gewissen „Blauäugigkeit“ im Westen entgegenwirken sollte. Da er aber in dem Interview auch bekennt, die Rede zuvor nicht gelesen zu haben ist die Frage angebracht, ob es von Papst Benedikt so intendiert war – oder im Nachhinein hineininterpretiert wurde. In jedem Fall kam durch die Rede der christlich – islamische Dialog durchaus voran. Erst recht, weil sich Papst und Vatikan entschieden bemühten, den Eindruck zu zerstreuen, die Zitierung des Kaiser-Wortes sei gegen die Muslime gerichtet gewesen. 

Die Worte des Erzbischofs eignen sich sicher nicht, um eine Übereinstimmung des Vatikan mit Positionen der PEGIDA zu konstruieren. Im Gegenteil, würde man sich von PEGIDA doch derart differenzierte Rückmeldungen wie die von Erzbischof Gänswein dringend wünschen. Wenn auf der Bühne in Duisburg einem Priester zugejubelt wird, der von Kampf und Krieg gegen Türken und Muslime (wie einst vor Lepanto) redet, dann werden die schönen Worte in Positionspapieren unmittelbar zu Makulatur. Würde er heute zu dieser Frage interviewt, glaube ich, dass seine Antwort nicht weniger klar wäre als die, die Bischof Dr. Felix Genn auf die Rede des Pfarrers Spätling gegeben hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Erzbischof Gänswein auf die angebliche „Islamisierung“ in einem neuen Interview 2014 mit keiner Silbe eingeht. 

Sie können sich gern überzeugen:

Hier der Link zum Gespräch mit Erzbischof Georg Gänswein aus dem vergangenen Jahr:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41614
Außerdem das Interview von 2007:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/3239/Der-Papst-traegt-immer-weiss-Auch-beim-Fernsehen

Stellungnahme von Bischof Dr. Felix Genn: http://www.bistum-muenster.de/index.php?cat_id=20975&myELEMENT=304733

1 Kommentar:

  1. Nocheinmal ein Essay zum Thema der beiden widerstreitenden Religionsgruppen Islam und Christentum:

    Im Islam ist die Rede vom "Allerbarmer", im Christentum jene vom "Pontifex maximus", vom obersten(!) Brückenbauer.
    Von der Wortwahl her eigentlich eine schöne Voraussetzung, um als Menschen aufeinander zuzugehen. Es bleibt da allerdings offenkundig noch einiges zu tun...

    Wenn jetzt von islamistischer Seite gräßlichste Gewalt vorgeführt wird, so haben alle Menschen - auch Christen - ein Recht darauf zu fordern, daß sämtliche Grausamkeiten umgehend beendet werden. Das ist ein Menschenrecht, genauso wie unsere reaktiven Gefühle von Wut und Haß. Und wenn Christen fordern, daß keine Christen attackiert werden, so ist das - nun? - ebenfalls ein Menschenrecht.
    Genuin christlich ist das allerdings nicht.
    Christlich wäre es, sich dafür zu interessieren, zu fragen, warum ein anderer Mensch derart böse geworden ist, daß er etwa Anderen Körperteile abhackt. Kein Kind kommt auf die Welt, um seinem Nächsten Körperteile abzuhacken. Irgendetwas ist da fürchterlich schiefgelaufen.
    Und jetzt wird´s sehr schwer, auch für mich selber: Laut Jesuswort befindet sich der "Balken" immer in meinem eigenen Auge, der "Splitter" steckt beim Nächsten drin. Mein "Nächster" ist allerdings nun auch dieser Gewalttäter...
    Der erste Schritt in Richtung Realisierung dieses Jesuswortes wäre wohl eine bescheidenere, demütigere, menschlichere Wortwahl in "christlichen" Foren...

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