Samstag, 21. April 2018

Frohe Botschaft gegen Angstpredigt? Unterwanderung statt Pilgerfahrt?

Etwas reißerisch kommt er schon rüber, der Titel des aktuellen Buchs von Liane Bednarz: „Die Angstprediger - Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern.“ So ganz überzeugend erscheint mir weder Titel noch Untertitel, was aber nichts daran ändert, dass ich das Buch mit großem Interesse gelesen habe.

Ab wann ist man Angstprediger
– und könnte ich einer davon werden?

Während der Lektüre habe ich mich gefragt, wo ich mich persönlich im kirchen(politischen) Spektrum verorten würde. Ich pflege manche Kontakte ins konservativ-traditionalistische Milieu und viele der von Bednarz erwähnten Personen zählen zu meinem „Freundeskreis“ bei facebook. Ich bin nicht gerade ein Verfechter des Frauenpriestertums und halte den Zölibat für die dem Priestertum angemessene Lebensweise. Ich versuche mich mit den Argumenten konservativer und sogar traditionalistischer Katholikinnen und Katholiken auseinanderzusetzen; ich habe Kardinal Müller und Bischof Tebartz van Elst in Blogbeiträgen verteidigt; ich pilgere nach Kevelaer, Banneux, Rom und Santiago; mich fasziniert Reliquienverehrung; ich bete den Rosenkranz; ich bin kein Freund sprachlicher Experimente in der Messfeier; ich schätze das Ordensleben und besonders die Kartäuser, Trappisten; Zisterzienser und die Schwestern und Brüder von Bethlehem; ich kann mich sogar mit Frömmigkeitshaltungen wie der knieenden Mundkommunion anfreunden. Ich sehe meine geistlichen Wurzeln aber auch in Assisi und Taizé, pflege den Dialog mit Muslimen und bin Mitglied in einem Verein, der zum Dialog mit dem Buddhismus einlädt. Als Vater von vier Kindern bin ich klar gegen Abtreibung, habe aber kein Rezept, für dass ich auf die Straße gehen möchte. Ich unterstütze lieber - wenn ich kann - Initiativen wie 1000plus und setze mich in der Pfarrei für Familien ein.

Ich schätze Papst Benedikt XVI. sehr, gebe aber auch Papst Franziskus jenen Vorschuß an Vertrauen, den jener für sein Denken, Verkündigen und Handeln erbeten hatte. Ich schätze das schöne Gebäude der katholischen Sexual- und Ehemoral, halte es aber dennoch hier und da für renovierungsbedürftig. Ich liebe katholische Prachtentfaltung und meine dennoch, dass es sehr sehr notwendig ist, angesichts der Zeit in der wir leben, neue Formen von Schlichtheit und Einfachheit zu entdecken. In der Weise, wie es z.B. Ordensgemeinschaften wie die Monastische Familie von Bethlehem, die Gemeinschaften von Jerusalem oder auch Taizé uns vorleben, als Konzentration auf das Wesentliche und das Evangelium. Wie auch immer, ich vermute, in das Raster „rechter Christ“ passe ich nicht. Ich bin auch etwas skeptisch, ob die politischen Kategorien „rechts“ und „links“ heute überhaupt noch angemessen verwendet werden können. Es fehlt aber ein ähnlich griffiges neueres Koordinatensystem, daher bleiben wir bei dieser Hilfskonstruktion. Jedenfalls, wenn von „rechts“ die Rede ist, so geht es nicht um einen festen Punkt, sondern eher um eine Skala, die zahlreiche Differenzierungen zuläßt. In Bednarz Buch ist so auch die Rede von Rechts, Rechtspopulistisch, Rechtsradikal und Rechtsextremistisch. Die spannende Frage wäre, wo beginnt konkret die „Gefahrenzone.“

Wo verlaufen die roten Linien zwischen konservativ und rechts?

Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, über dieses Buch zu schreiben, konnte es dann aber nicht lassen, mir eigene Notizen zu machen und Gedanken zu den Themen und Thesen des Buches zu notieren. Zumal sich – wie mir scheint – an Liane Bednarz „die Geister scheiden...“. Daher wird dies auch keine klassische Rezension, sondern eher eine Reflexion meiner persönlichen Gedanken, angeregt durch ihr Buch „Die Angstprediger“.

Ja, man kann sagen, es ist ein ärgerliches Buch, weil es Phänomene beleuchtet, für die man als konservativer Christ nicht gern im „rechten“ Licht steht. An manchen Stellen erlebte ich ein „Deja vu“ und empfand das Buch als Relectüre des Bandes „Gefährliche Bürger...“. Auch die Frage, die mich bei diesem Buch damals beschäftigte tauchte wieder auf: „Wo konkret läuft die „rote Linie“, die einen konservativen Katholiken zu einem „Angstprediger“ oder gar zu einen „gefährlichen Bürger“ macht?“

Kardinal Marx zieht die roten Linien wie folgt (zitiert auf S. 211 des Bandes): „Es herrscht Meinungsfreiheit, auch unter Katholiken. Aber es gibt rote Linien. Da muss man als Bischof deutlich werden, wenn die rote Linie überschritten wird. Wo Ausländerfeindlichkeit erkennbar ist, wo undifferenziert diskutiert wird, wo mit Schlagworten gearbeitet wird, wo Feindbilder aufgebaut werden, da kann ich keine Diskussion mehr führen.“ Auch wenn das in leicht autoritärer, Marx'scher Diktion rüber kommt, ganz verkehrt ist es nicht.

Bednarz plädiert für eine klare Grenzziehung zwischen konservativen Überzeugungen und Haltungen und (neu-)rechtem Denken. Wobei sich diese Grenze wohl weniger entlang inhaltlicher Positionen bestimmen läßt. Eher anhand des Gesamtkontextes, in den Positionen eingebettet sind und auch anhand der Mittel, mit denen die politischen Akteure ihre Ziele erreichen möchten.

Auf S. 217 wird der Journalist Marc-Felix Serrao aus der NZZ mit seinem Urteil über rechte Publizistik wie folgt zitiert: „Wut verzerrt den Blick. Man liest nur noch, was ins Weltbild passt, und man ignoriert die vielen Zwischentöne, die es in allen großen deutschen Verlagshäusern bis heute gibt. Das Ergebnis sind Texte, die zu laut sind. Zu erwartbar. … Für rechte Wut muss niemand bezahlen. Davon quillt das Netz schon über.“ 
Bednarz legt Verknüpfungen verschiedener Personen und Gedankenwelten offen, ohne dabei polemisch oder ungerecht und anklagend zu werden. Wer darauf hinweist, dass in den rechtspopulistischen Kreisen Probleme dramatisiert und politisch mißbraucht werden, der leugnet die realen Probleme nicht. Er will sie aber korrekt einordnen, denn nur so lassen sich angemessene Gegenmaßnahmen ergreifen.

Es geht dabei nicht um die ein oder andere, etwas extremere Meinung oder Überzeugung. Wenngleich man sicher zu Recht erwarten darf, daß Christen ihre Position an der Realität und an der kirchlichen Lehre messen und sich selbst überprüfen. Natürlich sind gewisse Positionen legitim, die Frage ist, inwieweit man sich darüber hinaus von rechten Topoi beeinflussen und sein Urteilsvermögen in diesen Fragen vernebelen läßt.

Die Bewertung der einzelnen Positionen nimmt das Buch dem Leser zumeist nicht ab, aber die Autorin bietet Maßstäbe dafür an. Diese muss natürlich niemand übernehmen, es macht aber sicher Sinn, sie zu bedenken und zu verstehen. Warum sollte ein solches Buch nicht ein – möglicherweise ähnlich ärgerlicher – Beichtspiegel sein, wie die Ansprachen des Papstes beim Empfang für die Mitarbeiter der Kurie? Als Christen sind wir immer aufgerufen, umzukehren und uns an Jesu Wort und Beispiel neu auszurichten.

Schwierig wird es immer dann, wenn auch im politischen Raum Quasi-Dogmen vertreten werden, z.B. die These, der Islam sei keine Religion, sondern eine extreme politische Ideologie, die es zu bekämpfen gelte. Wer solchen Thesen widerspricht, wird dann entweder für „blind“ gehalten oder als „Gutmensch“ abgestempelt. Dass diese These möglicherweise Nonsens ist, wird gar nicht in Betracht gezogen.

Mathias Mattuseks sehr spezielles „katholisches Abenteuer“

Der katholische Journalist Mathias Mattusek scheint sich geradezu zu bemühen, die Urteile der – ihm früher durchaus gewogenen – Autorin Liane Bednarz über seine politische Entwicklung (bei gleichzeitig lautstark geäußertem Widerspruch) durch Reden und Handeln zu bestätigen oder gar noch zu übertreffen. Man hat den Eindruck, Bednarz steht inzwischen selbst eher sprachlos dieser Entwicklung gegenüber.

Wenn 150 Leute mit Matthias Matussek in Hamburg „Widerstand“ rufen, dann wirkt das auf mich mehr skurril als beeindruckend. Wenn diese kleine Gruppe sich dann noch zum „Volk“ hochstilisiert, zur Vertetung der „normalen Bürger von nebenan“, dann sollten doch alle Warnlampen angehen. Selbst wenn 1.500 Antifa-Leute incl. Schwarzem Block gegen Matussek und seine Bürger Sturm laufen, braucht dieser neben handfestem Schutz durch die Polizei sicher nicht noch unbesehene Unterstützung durch uns Christen (auch wenn er früher sehr lesenswerte Texte geschrieben hat). Wir reden doch ehrlicherweise weder bei Pegida noch bei der AfD noch bei beiden zusammen von einer ernstzunehmenden Vertretung einer schweigenden Mehrheit der Deutschen. Nein, die zeigt sich hier eben nicht, sondern eine überschaubare Gruppe von Bürgern, die ihre von der breiten Mehrheit abweichenden Überzeugungen und Wertmaßstäbe dokumentieren und ihre Enttäuschung ausdrücken, dass ihre Anliegen in der Politik nicht aufgegriffen und vertreten werden und dass sie als Personen oder als Gruppe weder politisch, noch gesellschaftlich, noch kulturell nennenswert Einfluß haben.

„Merkel muß weg“, das mag sich eine Mehrheit der Bundesbürger insgeheim schon mal gedacht haben. Aber doch sieht die Mehrheit der Bundesbürger in ihr weiterhin eine Garantin von Demokratie und Stabilität. Jedenfalls so lange, bis ein Anderer diese Rolle übernimmt und ihre Nachfolge antritt.

Die konservativ-christliche Szene ist gut vernetzt. Viele sind medial aktiv, da boten sich die neuen Medien für diese geradezu an. Ich habe in Bednarz Buch kaum neue Leute kennengelernt und muss auch feststellen: Nicht alle Leute aus der Szene driften nach rechts. Im Gegenteil, einige widesprechen energisch und mit guten Argumenten.

Aber Andere verlassen die Sphäre der Theologie doch, fordern Solidarität mit AfD und Pegida und ereifern sich über Gender und Islam, teilen fleißig Beiträge neurechter Propagandekanäle. Selbst das ursprünglich rein auf kirchliche Themen orientierte „Forum deutscher Katholiken“ wird in seinem Blog und auf facebook erstaunlich und recht eindimensional politisch. Das mag man für wenig problematisch halten, problematisch wird es aber doch, wenn man auch eine gewisse Gegenbewegung beobachtet, die ausgerechnet der Frontmann der identitären Bewegung, Martin Sellner beschreibt. Er konstatiert, dass „von Cicero über AchGut bis hin zur JF (Jungen Freiheit) über viele Pfade ein reger Ideenschmuggel ins Zentrum der Meinungsmacht statt“ fand. Das macht nachdenklich.

Obwohl ich sicher bin, dass keines dieser Medien Sellners Strategie zur Redaktionsmaxime erheben würde, so stimme ich doch in diesem Fall der Analyse zu. Wir Katholiken sollten aufpassen, dass es uns nicht ähnlich geht. Wir sollten aufpassen, von wem wir uns aufzäumen lassen, welches trojanische Pferd wir in die Kirche zerren und welcher Schwanz einst mit uns wackeln möchte.

Oder um die schon von Bednarz zitierte Mahnung von Wolfgang Bosbach zu wiederholen: „Man sollte sich nicht für extreme politische Ziele instrumentalisieren lassen (S. 192). Eine Bemerkung, die sicher auch für den Umgang mit Linksextremen Gültigkeit hat.

Mag es auch eine gewisse Schnittmenge zwischen konservativen christlichen Überzeugungen und den Thesen radikaler rechter Bewegungen geben, so zeichnet es konservative Christen doch eigentlich aus, dass sie Maß und Mitte wahren, weil sie für ihre Überzeugungen klare Orientierungspunkte im Evangelium haben.

So, an dieser Stelle geht es erst los, Fortsetzung folgt zu den inhaltlichen Themen des Angstprediger-Buchs. Hier finden Sie die Fortsetzung. 

Hier meine ältere Besprechung des Bandes "Gefährliche Bürger" aus dem Jahr 2015: 

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